Wacken Open Air 2018 – Teil 3 (Freitag, 03.08.2018)
Freitag, 03.08. So (ungewollt) mager der Donnerstag für uns bandtechnisch ausfällt, so extrem vollgepackt wird der Freitag. Da ich

Freitag, 03.08.
So (ungewollt) mager der Donnerstag für uns bandtechnisch ausfällt, so extrem vollgepackt wird der Freitag. Da ich um 11:30 Uhr bereits Kellermensch sehen möchte, falle ich extra früh aus dem Zelt und bin so hochmotiviert früh auf dem Gelände, dass ich sogar noch die davor spielenden DESPERADOZ mitnehme. Zugegebenermaßen sind die Western-Rocker, die damals noch unter Mitwirkung von Tom Angelripper gegründet wurden, nicht unbedingt mein Fall, doch die Eigenkompositionen der Jungs tun keinem weh und clever wie sie sind, haben sie mit „Rawhide“ und „Ghost Riders In The Sky“ zwei stimmige Coverversionen im Gepäck, wovon besonders das letzte Stück bei dem (überschaubarem) Publikum sehr gut ankommt.
Danach starten dann also die von mir erwarteten KELLERMENSCH und avancieren schnell zum frühmorgendlichen Überraschungsknaller. Frontmann Sebastian Wolff stolpert und tobt wie ein getriebener Wahnsinniger über die Bühne, sucht die Nähe zum Publikum, wirft mit Mikrofonständer und Schellenkranz um sich. Derweil spielt der Rest der Band ebenfalls mit einer zwischen Melancholie und Tobsucht wechselnden Leidenschaft, die den Auftritt der insgesamt acht Musiker schon visuell zu etwas Besonderem macht. Dass die Musik der Dänen, die unkontrollierbar zwischen Metal, Indie Rock und Prog pendelt, da noch mal einen draufsetzt ist nicht selbstverständlich und daher umso erfreulicher. Kurz: Kellermensch bieten 40 Minuten tolle Musik mit hohem Stimmungs- und Unterhaltungswert. Gewürdigt wird das von der inzwischen angewachsenen Menge vor der Bühne mit viel, teils überschwänglichem, Applaus.
Kurz rüber zur Nebenbühne gehüpft und schon geht es weiter mit PERSEFONE. (Anmerkung am Rande: Kann dem Ansager im Zelt bitte mal jemand die Bandnamen beibringen? Die falsch ausgesprochenen Bandnamen werden schnell zum Running Gag des Festivals… Hochnotpeinlich!) Obwohl die Jungs aufgrund ihres Heimatlandes Andorra sicherlich etwas Exotenbonus besitzen, zeigt die seit 2001 bestehende Formation sofort, dass sie diesen sicherlich nicht nötig hat. Ihre anspruchsvolle Mischung aus Death Metal und atmosphärischem Prog kommt mitunter zwar etwas holprig daher (woran besonders die teils eher stumpfen Death-Metal-Parts schuld sind), umso schöner geraten dafür wiederum andere Parts in den Songs der Südeuropäer. Insgesamt wird hier also noch kein wirklich beeindruckendes Bild vermittelt, die Band ist aber deutlich auf der richtigen Spur und glänzt live vor allem durch die langjährige Erfahrung. Gutes Ding mit Abzügen in der B-Note.
Nun heißt es das erste Mal heute, den schützenden Schatten des Bullhead-City-Zelts zu verlassen, denn auf dem Infield findet eine der beschissensten Überschneidungen des Wochenendes statt: Während Amorphis eine der Hauptbühnen beackern, spielen exakt zeitgleich DARK TRANQUILLITY auf der Louder-Stage. Da ich die Schweden länger als die Finnen nicht live gesehen habe, treibt es mich also zur Louder-Stage… wo die Mannen heute mit nur einem Gitarristen auf der Bühne auskommen müssen, aus der Notlage aber das Beste machen – auch wenn man die leichten Unterschiede zum „normalen“ Sound durchaus rauszuhören vermag. Frontmann Mikael Stanne reißt mit seiner guten Laune und der positiven Energie jedoch all die Aufmerksamkeit an sich und führt professionell durch ein Set voller Hits wie „Monochromatic Stains“, „ThereIn“ und „Lost To Apathy“. Lediglich die ganz alten Klassiker der Melodic-Death-Urgesteine dürfen diesmal nicht ertönen. Unverständlich für einen Festivalauftritt und schade, aber trotzdem bleibt der Auftritt unterm Strich solide.
Bevor es wieder im Bullhead-City-Zelt wetergeht, machen wir noch einen kurzen Abstecher in das erstmals vorhandene große E-Sports-Zelt. Ja, richtig gelesen: Computer oder Playstation zocken auf einem Musikfestival. Naja, Wacken war ja schon immer mehr als nur Musikfestival, aber welcher Teufel die Veranstalter hier wieder geritten hat, weiß wohl nur, naja, der Teufel. Abgesehen von Klimatisierung und kostenlosen NicNacs kann ich jedenfalls nicht erkennen, warum man solch ein Angebot auf einem Festival braucht. Ganz ehrlich: Wer nicht mal ein paar Tage ohne Zocken auskommen kann, bzw. bei so viel Musikangebot noch genug Zeit hat, um zwischendurch ne Runde Tekken oder LoL einzulegen, sollte sich mal Gedanken über sein Leben machen und warum er eigentlich in Wacken aufschlägt.
Widmen wir uns also wieder dem eigentlichen Grund, warum wir hier sind: Der Musik. Wir kriegen gerade noch das Ende von WALKING DEAD ON BROADWAY mit, die vor einer respektablen Menge energisch ihre Metalcore-Songs abfeuern und dafür, sichtlich zufrieden, gebührenden Applaus ernten.
Die ROGERS im Anschluss bieten gefälligen, deutschen Radio-Punk, der zwar niemandem weh tut, aber mit dem ursprünglich Wilden und Gefährlichen des Punk nicht mehr viel zu tun hat. Die Stücke sind trotzdem ganz eingängig und die Fans scheint es zu freuen – auf jeden Fall werden die Jungs wohlwollend aufgenommen.
Wenn sich im Publikum die Wrestling-Fans mit selbstgebastelten Schildern breitmachen, dann kann eigentlich nur das Wacken-Wrestling im Zelt anstehen. Das ist jedoch inzwischen abgeschafft worden. Bleibt also nur Möglichkeit Zwei: Chris Jericho ist mit seiner Band FOZZY am Start. Die Amis entern die Bühne mit der Aura des Professionellen und spulen ab der ersten Minute gekonnt ihre Show ab. Besonders Jericho merkt man die jahrelange Erfahrung im Entertainment-Bereich an, wenn er das Publikum schnell abholt und die Nähe zu seinen Fans sucht. Trotzdem bleibt mehr Geschmack von Show als Authentizität zurück, als nach 45 Minuten auch schon wieder Schluss sein muss und Jericho, Songwriter/Gitarrist Rich Ward und ihre Mannen wieder von der Bühne gehen. Naja, typisch US-Rocker halt. Macht aber nix, die Fans kriegen, was sie wollen. Lediglich Freunde der älteren (streitbar besseren) Stücke der Band kriegen nicht, was sie wollen – gespielt werden nur Songs der letzten drei Alben.
Wer atmosphärischen Rock MIT Authentizität haben möchte, der steht hingegen etwas später bei DOOL vor der Bühne. Die Niederländer um Rampensau Ryanne van Dorst erobern die internationale Rock-Landschaft seit inzwischen 1,5 Jahren wie im Sturm. Dass ihre zwischen schweren Riffs, rockiger Attitüde und melodischer Finsternis changierenden Stücke wie „The Alpha“, „Vantablack“ und der eingängige Knaller „Oweynagat“ nicht nur auf kleinen Bühnen, sondern auch im großen Zelt in Wacken super funktionieren, belegt nicht zuletzt die bis Ende des Auftritts immer größer werdende Menge im Zuschauerraum. Kein Zweifel: DOOL sind eine der derzeit vielversprechendsten Rock-Bands Europas, von denen noch viel zu erwarten ist!
Direkt danach kloppen DESTRUCTION klassischen Thrash Metal deutscher Schule in ein rappelvolles Zelt. Wer aufgrund der Bühne gedacht hat, dass die einstigen Co-Headliner des Wacken nun bereits zum alten Eisen und aufs Abstellgleis gehören, wird hier definitiv eines Besseren belehrt. Wie um das noch mal extra zu beweisen, überziehen Schmier und Konsorten einfach mal „ganz aus Versehen“ ihre Spielzeit und müssen beim letzten Track mittendrin abbrechen. Das bleibt jedoch nur ein kleiner Wermutstropfen eines überraschend starken Gigs.
Da bei DESTRUCTION noch so viele Menschen im Zelt feiern, ist der Kontrast zu den anschließenden W.A.R. leider umso herber: Nicht mehr als vielleicht gerade mal 400 – 500 Nasen bleiben vor Ort, um sich „Worship And Ritual“, die Komplett-Darbietung der ersten beiden SAMAEL-Alben „Worship Him“ und „Blood Ritual“ anzuschauen. Einzige Erklärung: Dass unter diesem Namen SAMAEL ihre gefeierten Klassikern spielen, scheint von den Veranstaltern im Vorfeld so schlecht kommuniziert worden zu sein, dass es einfach kaum jemand mitbekommen hat. Beim „regulären“ SAMAEL-Auftritt am Folgetag sind jedenfalls wesentlich mehr Zuschauer anwesend. Viel verpassen die Abwesenden allerdings nicht: Vorph und seine Mitstreiter spielen zwar sauber aber relativ belanglos ihren Schuh runter und alles an potentieller Stimmung verpufft im durch die Zelteingänge hereinscheinenden Sonnenlicht – da helfen auch Feuerschalen und Weihrauch wenig. Fans der alten Alben freuen sich aber zumindest über die Möglichkeit, die geliebten Stücke doch noch mal live zu hören.
Hier geht’s zu Teil 4, Freitag (03.08.2018) continued.
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