M’era Luna Festival, 10. & 11.08.2019, Flugplatz Hildesheim
Zum mittlerweile zwanzigsten Mal fand am zweiten Augustwochenende traditionell das neben dem Leipziger Wave Gotik Treffen wohl wichtigste Festival
Zum mittlerweile zwanzigsten Mal fand am zweiten Augustwochenende traditionell das neben dem Leipziger Wave Gotik Treffen wohl wichtigste Festival der schwarzen Szene statt. Erneut war das auf dem Flugplatz in Hildesheim gelegene Festival mit 25.000 Zuschauern ausverkauft. Neben den Bands sind es aber vor allem die Fans, die aus dem Festival ein buntes Miteinander machen. Fantasiekostüme, die in liebevoller Kleinarbeit an langen Winterabenden selbst angefertigt werden, findet man genauso wie die teils morbiden und fast schon furchteinflössenden Maskeraden der Besucher. Neben der beiden Bühnen (Hauptbühne und Hangar-Stage) stehen ein Mittelaltermarkt, die Gothic Fashion Town, ein Disco Hangar und natürlich die Händlermeile zur Verfügung und laden zum Schlendern ein. Das durch und durch nahezu perfekt organisierte Festival genießt bei den Fans einen hohen Stellenwert und hat, wie einige andere Festivals in diesem Jahr auch, einen hohen Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Müllpfand, heute ohnehin schon obligatorisch, kompletter Verzicht auf Kunststoff (lediglich die Trinkbecher an den Getränkeständen haben das noch nicht mitbekommen) sollte auf der Agenda stehen und immer wieder waren die fleissigen „Bienen“ zu sehen, die mit ihren Müllsäcken das Gelände absuchten und so Müllberge gar nicht erst entstehen ließen. Vorbildlich kann man da nur sagen.
Doch auch die Musik spielte an diesen Tagen eine nicht unerhebliche Rolle. Vom Wetter verwöhnt, bis auf ein paar kleine Ausnahmen, ließ die Sonne ihre wärmenden Strahlen aus allen Knopflöchern scheinen, was besonders zum Sonnenuntergang für spektakuläre Bilder sorgen konnte. Zeitlich bedingt konnte ich am Samstag und Sonntag erst später zum Festivalgelände anrücken und habe dadurch an beiden Tagen ein paar Bands verpasst. Aber sei’s drum. Wichtig ist ja ohnehin dabei gewesen zu sein. Die erste Band, die ich sehen konnte waren die Deathstars, die bei so manchem Angereisten als eines der Highlights auf der Agenda standen. Gewohnt abgezockt und souverän präsentierten sich die Schweden, kokettierten und feierten ihre Songs ins Publikum. Selten hat man um diese Uhrzeit eine Band erleben dürfen, die dermaßen frenetisch abgefeiert wurde.
Danach folgte der krasse Gegensatz. Die Mittelalterband Corvus Corax stand auf dem Programm. Waren es vorher die teils brachialen Gitarrensounds, die den Hildesheimer Himmel zum beben brachten, erklangen nun die Dudelsäcke von der oppulent ausgestatten Bühne. Bis ins kleinste Detail haben sich die ostdeutschen im dreissigsten Jahr ihres Bestehens nun schon der Mittelalterszene verschrieben und konnten mit ihren doch recht speziellen Klängen absolut überzeugen. Muss man Fan sein um dieser Band etwas abgewinnen zu können? Vielleicht ja, doch wenn eine Band absolut überzeugen konnte ohne sich dabei zu verbiegen, muss man das honorieren. Eine tolle Vorstellung der Berliner, die vermutlich auch ein paar neue Fans hinzugewinnen konnten.
Weiter ging es für mich Oomph!, Eine Band, die ich seit ihrem Überhit „Augen auf“ komplett aus den Augen (und Ohren) verloren habe, waren sie für mich ganz persönlich doch irgendwie immer nur zweite Wahl. Dass ich damit der Band aber Unrecht getan habe, konnte Oomph! Dann live korrigieren. Professionell und sauber in ihrer Performance ließen sie ihre NDH-Klänge von der Bühne knallen. Ein wenig brachial, doch immer wieder mit der richtigen Melodie am richtigen Ort konnten mich die Braunschweiger, die vermutlich die kürzeste Anreise der auftretenden Bands hatten, restlos überzeugen. Kein großes Firlefanz, einfach nur Musik pur. Toll.
Wie das manchmal so ist, ließ ich mich dazu überreden im Hangar den Klängen von Agonoize beizuwohnen. „Da gibt es spritzendes Blut und Sperma. Eine lustige Sache, bei der du deine Kamera aber gut sichern solltest!“, so die Aussage eines befreundeten Kollegen. Also, auf in die volle Halle. Wenn man dann sieht, dass die Boxen vor der Bühne mit Planen abgedeckt sind, macht man sich als jemand, der die Band noch gesehen hat, natürlich so seine Gedanken. Schön am Rande gehalten, durfte ich dann auch der „Sauerei“ (für mich, für viele Fans wohl der einzige Grund der Show beizuwohnen) auch folgen und war froh mich abseits gehalten zu haben. Musikalisch decken wir mal lieber den Mantel des Schweigens darüber, konnte ich damit doch überhaupt nichts anfangen, waren es für mich eher belanglose Techno-Beats oder eben EBM ohne Rückgrat. Doch die Fans bejubelten jeden Tropfen Kunstblut, der in hohen Fontänen aus den „Adern“ von Sänger Chris L. spritzte.
Nun standen Mono Inc. Auf dem Zettel, die ich schon des Öfteren live erleben konnte und seitdem auch liebe. Zwar klingen viele ihrer Songs ähnlich, besitzen sie doch alle denselben Aufbau, wirkt die Band auf der Bühne immer wieder sympathisch und vor allem absolut professionell. So auch an diesem herrlichen Samstag, der mit seinen Sonnenstrahlen so gar nicht ins Bild der schwarzen Szene passen wollte. Mono Inc. Nutzten ihre Spielzeit ausgiebig und bewegten sich dabei durch ihre eigene musikalische Geschichte. Sänger Martin Engler überzeugte mit seiner lockeren und fröhlichen Art, Katha Mia gab den Beat vor und Gitarrist Carl Fornia legte mit Basser Manuel Antoni die knallige Grundlage der Songs. Live ist die Band immer wieder eine Macht, auch wenn sie nicht überall auf Gegenliebe stießen. Aber der Musikgeschmack ist ja etwas, über das man nicht streiten sollte.
Ebenfalls mit strahlendem Himmel wurden Lacrimosa auf der Hauptbühne begrüsst. Auch schon mehr als 29 Jahre bringt das ursprüngliche Ein-Mann-Projekt des Wahlschweizers Tilo Wolff auf die Bühne, was sich in der grandiosen Performance zwischen New Romantic und Gothic abspielte. Die Musik Lacrimosas ist ja hnehin nur schwer einzuordnen, zeichnet sich das Projekt doch immer wieder durch die Verknüpfung der verschiedensten Stilelemente aus. So finden Klassik und Dark Wave genauso ein Zuhause wie Metal, was den besonderen Reiz der Band ausmacht, den sie auch live perfekt und äusserst sympathisch rüberbringen konnten. Die unterkühlte Art der finnischen Keyboarderin und Komponistin Anne Nurmi trug ebenso dazu bei wie das gesamte Auftreten der Band. Ein Gig, den die Fans so schnell wohl kaum vergessen werden.
Dann kam mit Within Temptation der heimliche Headliner des Tages. Die Mannen um Sängerin Sharon den Adel gehören mittlerweile ja fast schon zum Stamm des Festivals und können jedes Mal erneut die Fans begeistern. Es liegt zum einen an der fröhlichen Art der Band, die trotzdem ordentlich hart zur Sache geht und zum anderen natürlich an den dargebotenen Songs, die immer wieder ein wahres Fest für die Gothic-Metal Fraktion ist. Mit ordentlich Feuerfontänen, einem leicht futuristischem Bühnenbild und einem phänomenalen Sound hatten die Niederländer auch die letzten Zweifler schnell auf ihrer Seite. Vor allem das Aushängeschild Sharon schaffte es mit ihrer unbekümmerten Art das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Man darf sich jetzt schon auf den nächsten Gig mit ihnen beim M’era Luna freuen. Wann auch immer das sein wird.
Zum krönenden Abschluss durfte dann noch ASP die Bretter der Hauptbühne zum rocken bringen. Im zwanzigsten Jahr befindet sich die Band um Mastermind Alexander Spreng inzwischen. Ihr stetig wachsender Bekanntheitsgrad liegt wohl auch an der durchaus liebevollen und intelligenten Art des Meisters begründet, der seinem Hang zu morbiden Novellen immer wieder nachgibt – sehr zur Freude seiner Fans. In dunkles und stimmungsvolles Licht getaucht wirkte die Bühne streckenweise wie die lebendig gewordene Landschaft seiner Novellen, was durch den Einsatz von Feuer, Rauch und Sprührädern zusätzlich optisch in Szene gesetzt wurde. Dass aber auch die Songs von ASP einen hohen Kultfaktor genießen, bewiesen vor allem die Fans, die nahezu jeden Song mitsingen konnten. Ein toller Auftritt, der auch in Erinnerung bleiben wird. Vor allem aufgrund seiner visuellen Umsetzung gehörte der Auftritt von ASP zu den besten dieses Samstags.
Autor Tag 1: Christoph Speidel
Mehr Bilder gibt es hier zu finden: https://www.metalglory.com/gallery/mera-luna-flugplatz-hildesheim-10-11-08-2019
Zwei Jahre war ich nicht mehr auf dem M’Era Luna, jetzt war es wieder einmal an der Zeit. Da ich arbeitstechnisch den ersten Tag verpassen musste, hier mein Bericht für Tag 2:
Nach unserer Ankunft gegen 13 Uhr konnten wir noch die letzten Klänge von FAELDER mitnehmen. Nach kurzer Orientierung gab Christoph Fersengeld um VERSENGOLD zu sehen, die die erste Band an diesem leicht bedeckten Samstag für uns war. Die Shootingstars von Versengold, die mit ihrer Mischung aus Rock und Mittelalterklängen das Publikum mitreissen konnten, gerade erst erschien mit „Nordlicht“ ein neues Album, welches natürlich auch in der Setlist seine Heimat fand, schienen in der knapp bemessenen Spielzeit alles geben zu wollen. So wurde zum Beispiel die aktuelle Single-Auskoppelung „Thekenmädchen“ von den Fans lauthals mitgesungen. Mich zog es in die Hangar-Stage zu HELDMASCHINE. Diese nutzten ihre 30 Minuten Spielzeit um so viel wie möglich zu spielen. Auch mit dem Publikum, welches sichtlich Spaß hatte. Tolle Performance der Band, die sich mittlerweile eine treue Fangemeinde erspielt hat.
Als nächstes stand bei uns DIARY OF DREAMS auf dem Zettel. Das Trio feiert dieses Jahr das 30. Bandjubliläum und durfte auf der großen Main-Stage auftreten. Ein professioneller Auftritt, der die Fans erfreute.
Danach ging bei COMBICHRIST so richtig die Post ab. Ihre treibenden Rhythmen und Power verzückten die Zuschauer und es wurde ordentlich getanzt. CC gönnten den Fans keine Pause, es ging Schlag auf Schlag weiter. Eine Dreiviertelstunde lang. Natürlich wurde das neue Album „One Fire“ promotet, der gute Mix aus alten und neuen Stücken stellte die Fans zufrieden.
Anschließend ging es bei JOACHIM WITT etwas gemäßigter zu. Der 70-jährige hat immer noch Bock auf der Bühne zu stehen und hat als einziger den Sprung von der NDW zur NDH geschafft. Songs aus dem letzten Album „Rübezahl“ standen auf dem Programm, aber auch Titel u. a. von „Bayreuth I“. Sein letzter großer Hit „Die Flut“ (damals 1998 in Zusammenarbeit mit Peter Heppner entstanden) kam sehr gut bei den Zuschauern an, wie auch „Das geht tief“, mein neuer Ohrwurm („Tief, tief, tief, das geht so tief…“). Der Rausschmeißer (nach Witts eigener Ansage) musste natürlich „Goldener Reiter“ sein. Was auch sonst. Es gab kaum jemanden im Publikum, der den Text nicht kannte und mitsang. Gerade bei den alten Stück kam Witts Stimme so rüber als wäre es 1981. Einfach großartig.
Über SUBWAY TO SALLY muss man eigentlich nicht mehr viel schreiben. Ihre jahrelange Bühnenerfahrung ließ die Band wie aus einem Guss aufspielen. Hier kam zum ersten Mal an diesem Tag Pyrotechnik zum Einsatz. Die Flammenwerfer Richtung Himmel heizten das Publikum ein. Wäre nicht nötig gewesen, war aber eine tolle Untermalung für den mit Gastsänger Chris Harms (Lord Of The Lost) vorgetragenen Song“Island“.
Bei FIELDS OF THE NEPHILIM herrschte striktes Verbot von professionellen Film- und Fotoaufnahmen. Hätte eh nicht geklappt, da die Band immer im Nebel stand. Lediglich für die Übertragung auf die Leinwände durfte gefilmt werden. Dennoch war es ein sehr guter Auftritt der Band, die zahlreiche Zuschauer zum Bleiben animieren konnten, da viele nach Subway to Sally den Innenbereich verließen. Zum Glück brauchten FOTN als Co-Headlner des Tages nicht vor leeren Reihen zu spielen. Die Setlist beinhaltete alles was die Fans hören wollten, von „Dawnrazor“ bis „Moonchild“ war alles dabei. Man tanzte und sang mit – eine sehr angenehm entspannte Atmosphäre. Einziger Kritikpunkt war ihr Merchandise. Es war nur von kurz vor bis kurz nach dem Gig erhältlich und auch neben den offiziellen Festivalshirts am teuersten. Da musste man schon zweimal überlegen ob man so viel Geld ausgeben will und so ging ich nach langer reiflicher Überlegung leider leer aus.
Den würdigen Abschluss bildeten VNV NATION. Vollen Innenraum, beste Stimmung und ab dafür. Es wurde von vorne bis hinter dermaßen viel getanzt, dass sich über dem Gelände eine Staubwolke bildete. Besser hätte es nicht sein können.
Fazit: die 25.000 Fans kamen auch dieses Jahr wieder auf ihre Kosten, auch wenn ganz großen Namen/Bands nicht auf dem Billing waren. Das war nicht weiter schlimm. Die Stimmung auf dem Festival war wie gewohnt ausgezeichnet. Die vielen kostümierten Fans begeisterten erneut alle Besucher als Walking Acts. Man kommt ja auch hauptsächlich wegen der absolut tollen Atmosphäre nach Hildesheim. Der Sound war alles in allem gut, der Bass aber mega heftig. Nicht nur für mich eine Spur zu laut. Die Organisation war wie immer prima. Besonders hervorzuheben: die kostenlosen Trinkwasserstationen. So konnte man es bei der Hitze gut den ganzen Tag über auf dem Gelände aushalten. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr.
Autor Tag 2: Jens-Peter Topp
Noch mehr Bilder gibt es hier: https://www.metalglory.com/gallery/mera-luna-flugplatz-hildesheim-10-11-08-2019