Interview mit BLIND GUARDIAN / Marcus Siepen, 06-07-2017
Interview mit Marcus Siepen (Blind Guardian) Was muß ich zu BLIND GUARDIAN noch sagen??? Aktuell erhältlich ist die
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Interview mit Marcus Siepen (Blind Guardian)
Was muß ich zu BLIND GUARDIAN noch sagen???
Aktuell erhältlich ist die 3CD Live-Werkshow, auf der die Power / Bombast / Tolkien Metaller sogenannte „Magic Moments“ verewigten. Was genau „Magic Moments“ sind, wessen „Magic Moments“ gemeint sind, warum man nicht ein ganzes Konzert aufgenommen hat, anstatt einen Zusammenschnitt zu präsentieren, und vieles mehr, klärten wir mit Marcus Siepen, seines Zeichens Gitarrist bei den blinden Wächtern.
Zur eher Musiker-untypischen Zeit (10 Uhr Vormittags), bekam ich den Herren ans Telefon für einen kleinen Schnack, lest selbst…
MG:
Moin und herzlich Willkommen zur kleinen Frühstücksrunde…
Ich fall´ mal gleich mit der ersten Frage ins Haus…warum „nur“ ein Live-Album und nix visuelles?
MS:
Ganz einfach: das Live-Album haben wir während der letzten Tour mitgeschnitten und wenn Du filmen möchtest (egal ob DVD / Blu-ray), wird es extrem aufwändiger. Die damalige DVD „Imaginations Through The Looking Glass“ haben wir mit 15 Kameras gefilmt. Wenn wir jetzt also 15 Leute mit auf Tour nehmen, dann bedeutet das auch: Extra-Nightliner für das Team, extra Trucks für deren Equipment, extra Licht, … Du brauchst extra ALLES. Von daher war uns von Anfang an klar, dass wir diesmal „nur“ ein Live-Album aufnehmen möchten und mit Sicherheit wird es auch irgendwann wieder eine DVD, o.ä. geben, aber wir wollten das bewusst trennen, genauso wie wir es damals gemacht haben bei Live 2003, wo wir auch bewusst gesagt haben: wir nehmen die Tour nur audiomäßig auf und haben dann damals das Blind Guardian Open Air für die DVD genutzt. So was in der Art werden wir wahrscheinlich wieder machen.
MG:
Wäre es nicht einfacher und günstiger einen einzigen Gig aufzunehmen, anstatt eine komplette Tour zusammenzuschneiden?
MS:
Einfacher ja, günstiger ja,…aber Du hast auch verschiedene Nachteile, wenn Du es so machst;
Es fängt ja damit an, dass wenn Du nur diese eine Show aufnehmen willst und irgendwas mit der Technik schief läuft (und es geht sehr oft was schief), oder jemand an dem Tag krank wird, es kann ja immer was passieren, … dann hast Du ein Problem. Dazu kommt, dass die mentale Geschichte eine ganz andere ist…wenn Du nur diese eine Show aufnimmst, wird jeder an diesem Tag angespannt sein und dadurch wirst Du auch anders spielen weil in deinem Hinterkopf immer rumgeistert: „Ach Du Scheiße, heute ist der große Tag, heute wird aufgenommen, heute muß ich ganz besonders toll sein, keinen Fehler machen,…“ und was auch immer. Wenn Du jede Show aufnimmst, denkst Du nach 2 Tagen überhaupt nicht mehr darüber nach. Du gehst auf die Bühne, spielst den Gig und lässt Dich einfach mit dem Publikum zusammen in den Moment fallen und Du denkst nicht ansatzweise an die Aufnahme. Das macht die Sache angenehmer und im Endergebnis auch besser, denn dazu kommt:
Wenn Du mehrere Shows aufnimmst, kannst Du die Setlist ändern und dadurch mehr Stücke aufnehmen. Wir haben im Durchschnitt 18 Stücke gespielt, auf dem Live-Album sind 22 Songs. Hätten wir nur eine Show aufgenommen, wären es 4 Songs weniger gewesen…
MG:
Es ist Euch gelungen, aus diesem Zusammenschnitt ein Live-Album zu schaffen, was fast wie aus einem Guss klingt. Man hat schon das Gefühl, ein komplettes Konzert zu hören.
MS:
Vielen Dank.
MG:
In der Werbung, etc. wurde betont, dass es bei den Songs um die „Magic Moments“ geht. Was sind „Magic Moments“ und um wessen „Magic Moments“ ging es dabei? Um die der Band oder um die der Zuschauer, wobei: hat nicht sowieso jeder seinen ganz einen „Magic Moment“ während eines Blind Guardian Konzert?
MS:
Maßstab können in dem Moment nur wir sein, weil wir auch entscheiden, was auf die Platte gepresst wird, doch es ging dabei nicht nur um unsere Performances welche für uns natürlich auch wichtig waren. Es ging dabei auch um die Zuschauerperformances. Wenn Du zum Beispiel ´nen Song von Tag A und Tag B zur Auswahl hast, entschieden wir uns schon für den Song, an dem das Publikum besser mitging.
Das Publikum ist nun mal ein essentieller Bestandteil einer Blind Guardian Show, was auch immer wir da machen-das Publikum muß mitmachen. Wir haben auch besonderes Augenmerk darauaf gelegt, das Publikum mit aufzunehmen, es gab über den Hallen verteilt Mikrofone die nur Fangesänge und was weiß ich alles aufgenommen haben. Das heißt, die „Magic Moments“ betreffen nicht nur unsere Performances sondern auch die Reaktionen des Publikums. Doch die Auswahl blieb bei uns, denn wir konnten ja nicht eine Aktion via Internet starten um nach den magischen Momenten des Publikums zu fragen. Wir mussten uns entscheiden, welche Version von „Valhalla“, etc. die geilste ist und auf´s Album gehört.
MG:
Wie kam denn die Album-Setlist zustande? Hattet Ihr im Vorfeld schon Songs im Auge, bestimmte Städte geplant oder habt Ihr das durch die vielen gemachten Aufnahmen eher spontan entschlossen?
MS:
Was die Städte angeht, waren wir vollkommen offen.
Wenn Du die Bühne verlässt, hast Du meistens ein Gefühl dafür, ob die Show geil war oder nicht, ob sie gut genug war für die Aufnahme…und interessanterweise ist es teilweise anders wenn Du die Aufnahmen dazu abhörst und Du leider merkst, dass Du gar nicht so geil gespielt hast…was in dem Bühnenmoment aber gar keine große Rolle gespielt hat weil der Moment einfach gestimmt hat. Man bekommt das teilweise Adrenalin-durchflutet gar nicht mit, hat mit dem Publikum Spaß, das Publikum dreht durch, die Band dreht durch, alles ist gut,…aber wenn man unsauber gespielt hat, möchte man das nicht für die Ewigkeit auf ´ner Platte haben. Also das hatte mit der Städteauswahl überhaupt nichts zu tun. Wir mussten uns die ganzen Aufnahmen anhören und Notizen machen, welche Nummer nun am besten war und haben das verglichen. Das Gute war, dass wir von jedem Song mehrere Versionen hatten. Wir konnten uns auf Details konzentrieren und wirklich die geilsten Nummern raussuchen.
Was die Setlist grundsätzlich angeht: Es wird natürlich mit jedem weiteren Studioalbum schwieriger weil halt immer Songs im Pool landen, die man gern spielen möchte. Wir haben uns im Vorfeld zusammengesetzt und darüber gesprochen, was wir machen wollen. Wir wollten 4-5 Nummern vom neuen Album spielen, was wir auch während der Tour gemacht haben. Dann hast Du da natürlich ´nen Haufen Klassiker die gespielt werden müssen sonst wirst Du von den Fans gekreuzigt, also Sachen wie der „Bard´s Song“, „Mirror Mirror“, „Valhalla“ MÜSSEN sein… und dann sind da noch Sachen die wir schon lange nicht mehr oder noch gar nicht gespielt haben die wir gern einbauen möchten wie z.B. „Last Candle“, der wirklich sehr selten gespielt wurde. Wir versuchen halt die gesamte Karriere der Band abzudecken, d.h. es sind Sachen aus der 80er Frühphase dabei, Songs vom letzten Album und alles was dazwischen ging. Unser Trick ist: Wir haben pro Show 18 Songs gespielt, aber 45 Songs geprobt. Wir konnten also jeden Abend die Setlist ändern. Es gibt fixe Positionen, die wir nicht ändern, wie zum Beispiel der Anfang der Show. Da behielten wir die Songs und Reihenfolge der ersten 5-6 Songs stets bei weil es einen einfacher macht, in die Show „rein zu kommen“. Man kann entspannt auf die Bühne gehen, brauchst Dir keine große Gedanken machen über ´ne neue komplizierte Nummer…Du kommst erstmal in den Flow und dann: ab! Im Mittelfeld konnten wir dann rumspielen, experimentieren und umstellen denn ein sicheres Gefühl hat sich dann eingestellt. Das hat für die Live-Recordings den unschätzbaren Vorteil, dass wir wesentlich mehr Lieder aufnehmen konnten als nur 18, wenn wir jeden Tag das gleiche gespielt hätten. Und für die nachreisenden Fans gab es immer eine andere Setlist. Für uns ist das der lebenswichtige Vorteil, dass es immer spannend bleibt. Wenn wir 2 Jahre lang immer die selben 18 Songs spielen würden, käme da schnell langweilige Routine auf, jede Spontanität, jede Spannung wäre raus und das wollen wir natürlich auch nicht! Daher ist das für uns wirklich wichtig, es bleibt interessanter und lustiger!
MG:
Wie lang hat denn das Selektieren der Songs von über 4 Dutzend Shows gedauert?
MS:
Das hat mal ´ne ganze Weile gedauert und wir hatten zum Glück Hilfe von unserem Produzenten Charlie, der schon Konzerte durchhörte, Mixe fertig gemacht hat, Tipps gegeben worauf wir bei verschiedenen Shows achten sollen, während wir noch auf Tour waren.
Aber es dauert halt einfach. Für die Aufnahmen zur Tour haben wir uns auf den ersten Europa-Block konzentriert und das waren immer noch knapp 40 Shows. Die musste erstmal durchhören, jeweils 2-2,5 Std., das kannst Du ja selbst hochrechnen…viele Sachen musst Du ja auch mehrfach hören, vergleichen,…das ist ein sehr langwieriger Prozess. Aber dadurch das wir so viele Sachen zur Auswahl hatten, konnten wir nun das perfekte Ergebnis präsentieren, es war den Aufwand wert.
MG:
Gibt es denn ein bißchen Gossip von der letzten Tour, denkwürdige Geschichten?
MS:
Es gibt so viel zu erzählen denn es passiert auch viel doch das gehört bei einer Mischung aus Klassenfahrt und Abenteuerurlaub einfach dazu. Wenn man zum Beispiel aus dem Flieger steigt, 42° Celsius herrschen und das einzige Getränk 6 Flaschen Wein sind…oder es Backstage keinen Strom gibt und der einzige Lichtspender die Handytaschenlampe ist…es passieren halt immer wieder witzige Sachen.
MG:
Gibt es denn Flecken auf der Welt, auf denen Ihr besonders gern spielt oder noch gern spielen würdet oder ist es das berühmte Heimspiel? Wo flippen die Fans am meisten aus?
MS:
Das kann man so pauschal eigentlich nicht sagen weil wir das Glück haben, dass unsere Fans überall auf der Welt geil sind, allerdings unterschiedlich, das muß man fairerweise dazu erwähnen.
Heimspiel ist natürlich immer geil, also wenn wir in Düsseldorf spielen (ok. Ist zwar ´ne Viertelstunde von Krefeld entfernt, ist aber so unser Heimatding), ist es natürlich genial wenn Du da 7000 Leute zu stehen hast, Familienmitglieder und Freunde, dann ist das natürlich ein Highlight.
Südamerika ist wie Du schon erwähntest, auch ein Mega-Highlight, weil die Leute dort so eine Leidenschaft haben, extrem laut mitsingen…das ist gigantisch! Doch es fällt mir schwer ein Publikum, ein Land hervorzuheben, alle haben ihren Reiz und alle sind extrem unterschiedlich. Südamerika ist sehr leidenschaftlich, im Vergleich dazu die USA eher positiv aggressiv-viele Circle-Pits…wir hatten mal ´ne Wall Of Death beim „Bard´s Song“ in den USA…das erlebst Du sonst nirgendwo…und das macht auch den Reiz aus. Jedes Publikum reagiert und verhält sich anders. Besonders spannend, wenn Du Locations, Städte und Länder betrittst, in denen Du noch nicht gespielt hast und keine Ahnung hast, was passieren wird. Wie die Leute auf die Songs reagieren-ob sie lieber alte oder lieber neue Sachen hören wollen. Wir waren letzte Woche zum Beispiel das ersten Mal in unserer Karriere in Israel. Wir hatten nicht die geringste Ahnung was passieren würde und hatten Riesenspaß, supergeiles Publikum, möchten auch gern weder hin.
MG:
Ihr bastelt seit über 20 Jahren an einem Orchesteralbum. Wie weit ist es, was können wir uns denn darunter vorstellen?
MS:
Es sind komplett neue Stücke, keine bereits bekannten Blind Guardian Songs sondern wirklich neue Musik, es wird durch die typischen Arrangements auch nach Blind Guardian klingen,… Was nicht da ist, ist die Metalband! Die Musik kommt tatsächlich nur vom Orchester und Hansi singt dazu…
MG:
Wie jetzt? Keine Drums, keine Gitarren, kein Bass?
MS:
Nein, wir haben Pause. Es sind die angenehmsten und entspanntesten Aufnahmen aller Zeiten, hahaha.
Es ist schwer, es zu beschreiben und es gibt auch schon ein paar Sachen die wir einigen Leuten vorgespielt haben und alle kamen zu der Entscheidung: „Ich hätte mir alles vorgestellt, nur das nicht“ aber es sind auch bisher alle der Meinung, das wäre der Mega-Hammer!! Es klingt ungewöhnlich aber geil, es ist neue Musik, es klingt nach Blind Guardian obwohl nur Hansi singt…
Am besten zurücklehnen und genießen.
MG:
Aber gern doch, wenn es dann endlich bald soweit ist!
Wenn ich das jetzt richtig mitbekommen habe, wurde mit dem Album „Beyond The Red Mirror“ der rote Faden seit „Imaginations…“ beendet. Leitet das Orchesteralbum eine neue Thematik / eine neue Geschichte ein oder ist es eine allein für sich stehende Story?
MS:
Es ist eine alleinstehende Story und hat mit den vorigen Geschichten nichts zu tun, komplett unabhängig davon. Mit „Beyond The Red Mirror“ war das auch von vornherein nicht so geplant, das hat sich eher durch Zufall ergeben. Wir hatten schon mit dem Songwriting begonnen, als wir zwischendurch das Box-Set fertiggestellt haben. Im Rahmen der Arbeiten an dem Box-Set ist Hansi aufgefallen, dass er die Story auf „Imaginations…“ begonnen hat, aber nie beendet! Dadurch kam die Idee, die Story jetzt zu beenden weshalb „Beyond The Red Mirror“ zu diesem Konzeptalbum wurde und das Ende der Story markiert. Und alles was jetzt kommt ist neu und hat nix mit vergangenen zu tun.
MG:
Worum wird es sich auf dem Orchesteralbum drehen?
MS:
Dazu kann ich im Moment nichts weiter sagen denn Hansi schreibt die Texte und es stehen auch noch nicht alle Texte. Er muß in diesem Jahr noch viel singen, das ist auch der Grund, warum wir mit den Arbeiten noch nicht fertig sind…grundsätzlich hatten wir die Idee, dass Hansi in den Tourpausen singt, aber das Problem ist: Eine Tour ist belastend für die Stimme, d.h., wenn Du dann 2 Wochen Pause hast, ist es keine gute Idee, die in einem Studio zu verbringen von daher konnten wir die Idee „Singen in den Tourpausen“ knicken und dann kann er in diesem Jahr die Gesänge „in Ruhe“ beenden.
MG:
Das bedeutet- Ihr arbeitet in der Live-Pause an neuem Material für ein hartmetallisches Album?
MS:
Ja, aber wir sind ja derzeit sowieso in nserem Standardturnus. 2 Jahre Tour hinter uns mit schönem Ergebnis, noch ein paar Festivals im August. Dann Konzentration auf das Orchesteralbum und später dann Songwriting für´s nächste Album. Wir schreiben auf Tour keine Songs, die würden sich anhören wie das, was wir grade spielen. Nach einer Tour können wir die Musik aus unserem Kopf „löschen“ und regelrecht bei Null anfangen und an diesem Punkt sind wir jetzt.
MG:
Gibt es vielleicht Ideen das Orchesteralbum doch ein paar Mal auf die Bühne zu hieven oder kannst Du dazu noch gar nichts sagen…
MS:
Natürlich wäre es reizvoll, aber ich denke nicht im Sinne einer Tour sondern im Rahmen eines Special-Events. Eine Tour würde sämtliche Rahmen sprengen…dazu vllt noch ein Kamerateam, hahaha…aber es gibt derzeit dazu keine konkrete Planung!
MG:
Berühmte letzte Worte?
MS:
Ja..ich hoffe, dass sich die Leute das Live-Abum anhören und es auch für gut befinden. Die Leute die auf Tour waren, werden es bestimmt mögen und die, die es nicht auf Tour geschafft haben werden einen super Eindruck bekommen, was bei Blind Guardian auf der Bühne und vor der Bühne musikalisch passiert. Aus meiner Sicht, ist es das beste Live-Album was wir je gemacht haben!
Ein Orchesteralbum steht an, wir starten langsam mit dem Songwriting für ein neues Album…es gibt viel zu hören!
MG:
Vielen Dank, ich bin sehr gespannt, was da auf uns zu kommt.
Unser Review zum aktuellen 3CD-Live-Paket „Live Beyond The Spheres“:
https://www.metalglory.com/blind-guardian-de-live-beyond-the-spheres/
Blind Guardian im Internet:
FB: https://www.facebook.com/blindguardian/
HP: http://www.blind-guardian.com/
Youtube:
(All pictures are taken from the official Blind Guardian homepage, FB site or it is official promo stuff! Thanks!)