Dream Theater “Distance Over Time Tour 2020”, 18.02.2020, Swiss Life Hall, Hannover
Die Könige des Prog-Metal sind in der Stadt und niemand geht hin. So drastisch und deutlich muss man es
Die Könige des Prog-Metal sind in der Stadt und niemand geht hin. So drastisch und deutlich muss man es sagen, wenn es mal gerade 1.100 Nasen in die nur mässig gefüllte Halle schaffen um ihren Helden zu lauschen und bei der Arbeit zuzusehen. Okay, die Eintrittspreise waren vielleicht auch wenig zu hoch und die Reputation der einstigen Institution hat in den letzten Jahren trotz des megastarken Albums „Distance Over Time“ doch sehr gelitten. Viele Fans verzeihen der Band den Rausschmiss von Drum-Krake Mike Portnoy noch immer nicht, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass Dream Theater immer noch großartige Songs schreiben können und von ihrer Genialität nicht eingebüsst haben.
Es scheint, als ob es in Hannover nur wenige Musikaffiniciados gibt, die den Stellenwert von Dream Theater auch heute noch einzuordnen wissen. An der Klasse der Band und ihrer Vorreiterposition im progressiven Metal kann es allerdings kaum liegen, denn was die technisch versierten einstigen Studierenden des Berklee College of Music vom Stapel lassen, ist nicht von dieser Welt. Das beweisen sie an diesem Dienstagabend trotz des spärlich besuchten und mittels Vorhängen abgeteilten Auftritts in der Swiss Life Hall. Der Stimmung aber tut das keinen Abbruch, hat damit auch den Vorteil, dass man für Getränke und das kleine Geschäft nicht ewig anstehen muss.
Fast pünktlich um 20:00 Uhr betritt die Band die Bühne und legt mit dem Opener „Untethered Angel“ des aktuellen Outputs die Messlatte von Anfang an hoch. Die gewohnt manchmal langweilig wirkende Performance der einzelnen Bandmitglieder ist dabei zwar der Konzentration auf das jeweilige Instrument geschuldet, lässt dadurch aber manchmal auch eine gewisse Intensität vermissen. Sänger James LaBrie, an diesem Abend stimmlich nicht immer auf der Höhe, ist dann auch so ziemlich der Einzige, der sich voller Emotion und Inbrunst präsentiert. Das aber soll nun keineswegs John Petrucci und Co. in ein schlechtes Licht rücken. Nur wirkt ihr Auftreten manchmal wenig agil. Brillanz ist eben häufig auch eine Einbahnstraße.
Mit einer großartigen Bühne im Rücken zeigte sich die Band spieltechnisch voll auf der Höhe, verstand es ihr Publikum mitzureissen, was angesichts der langen und häufig verschachtelten Songs nicht immer selbstverständlich ist. Doch genau hier zeigte sich die Klasse der Band, spielte auf den Punkt und überzeugte mit sichtlicher Spiellaune. Vor allem John Petrucci bewies mit seinen mächtigen Riffs und filigranem Spiel seine Meisterklasse. Doch auch John Myung, der eher ruhende, stille Pol der Band, legte mit seinem fulminanten Spiel den Teppich unter das Powerdrumming von Mike Mangini, der inzwischen voll und ganz in der Band angekommen ist und ein würdiger Nachfolger für Mike Portnoy ist. Keyboarder Jordan Rudess verstand es immer wieder sich selbst zu inszenieren, spielte sich bei einigen Soli auch mal in den Vordergrund, hielt sich aber ansonsten auch im Hintergrund und das trotz des wichtigen Einflusses auf den Gesamtsound der Band.
Der erste Teil des Abends (oder auch Act 1) war noch einigen Songs gewidmet, die man eher selten in der Setliste der Band findet. Doch der eigentliche Höhepunkt folgte nach einer Pause von knappen 20 Minuten in Form des Klassikers „Metropolis, Part 2: Scenes from A Memory“, der in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Jubiläum zu verzeichnen hat. In voller Länge dargeboten, ließ es sich James auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass es das erste Album mit Jordan Rudess war, der den damals ausgestiegenen Derek Sherinian ersetzte. Nicht umsonst zählt dieses Album zu den wichtigsten und erfolgreichsten in der langen Karriere der New Yorker. Ohne große Atempause folgte Song auf Song, lediglich unterbrochen von ein paar kurzen Ansagen. James LaBrie, der stellenweise stimmlich nicht wirklich auf der Höhe zu sein schien, verließ während der langen Instrumentalparts immer wieder die Bühne, was im Laufe der Jahre so manchem Fan nicht unbedingt als angemessen erscheint. Nur mal ganz ehrlich: soll er sich auf der Bühne mit irgendwelchem Rumgezappel selber zum Kaspar machen oder ist es nicht eher angebracht seinen Kumpels die Bühne und das Rampenlicht zu überlassen?
Nach 80 Minuten ging dann auch Act 2 zu Ende. Doch die Herren ließen sich nicht lange bitten und legten mit „At Wit’s End“ als Bonus noch einen Song des aktuellen Albums oben drauf. Nach knapp drei Stunden ging dann das Konzert unter frenetischem Jubel auch leider schon zu Ende und so manch Fan hat dabei sicher die großen Songs vermisst, die an diesem Abend nicht auf dem Programm standen. Man darf in Anbetracht der dürftigen Besucherzahl stark annehmen, dass es wohl leider einer der letzten Auftritte der Progger in der niedersächsischen Landeshauptstadt gewesen sein wird. Wer nicht dabei war, kann dann in den nächsten Jahren ja einen längeren Weg in Kauf nehmen um seine Lieblinge live erleben zu dürfen.
Mehr Bilder der Show sind hier zu finden: https://www.metalglory.com/gallery/dream-theater-distance-time-tour-2020-18-02-2020-swiss-life-hall-hannover/
Setliste Dream Theater:
Act 1:
Untethered Angel
A Nightmare To Remember
Fall Into The Light
Barstool Warrior
In The Presence Of Enemies, Part 1
Pale Blue Dot
Act 2 (Metropolis, Part 2: Scenes From A Memory):
Act One: Scene One: Regression
Act One: Scene Two: I. Overture 1928
Act One: Scene Two: II. Strange Déjà Vu
Act One: Scene Three: I. Through My Words
Act One: Scene Three: II. Fatal Tragedy
Act One: Scene Four: Beyond This Life
Act One: Scene Five: Through Her Eyes
Act Two: Scene Six: Home
Act Two: Scene Seven: I. The Dance Of Eternity
Act Two: Scene Seven: II. One Last Time
Act Two: Scene Eight: The Spirit Carries On
Act Two: Scene Nine: Finally Free
Encore:
At Wit’s End