Live

EISBRECHER, Unzucht in Berlin am 08.10.2017

Ich liebe Bands, die Versprechen halten und Erwartungen erfüllen. Die Versprechen, die sie machen – und die Erwartungen, die

EISBRECHER, Unzucht in Berlin am 08.10.2017

Ich liebe Bands, die Versprechen halten und Erwartungen erfüllen. Die Versprechen, die sie machen – und die Erwartungen, die ich habe. EISBRECHER sind darin groß. Sehr groß.

Den Abend in der fast ausverkauften Halle beginnen UNZUCHT. Nettes Detail am Rande: Herr Eisbrecher Wesselsky moderiert die Band mit warmen Worten an. UNZUCHT spielen offiziell Dark Rock, ich nenne sowas Gothic. Und meine damit alle guten Eigenschaften wie üblen Klischees dieser Gattung: Da gibt es treibende elektronische Rhythmen (vom Band), die den Songs Düsternis und Wucht verleihen. Da gibt es fast trashige Riffs, die stampfen und toben, darüber wütender Gesang und eingängige Refrains. Dafür stehen „Der dunkle See“ und „Widerstand“, die das Konzert eröffnen. Da gibt es aber auch süßliches Klaviergeklimper und schmachtend dargebotene Texte aus dem Baukasten für Katzenjägerinnen (Feuer, Versuchung, Schmerz). Allzu oft wird die Grenze erreicht und überschritten zum schmalztriefenden Jammer, zum sinnentleerten Schlagerpathos, dafür stehen etwa „Lava“ und „Nur die Ewigkeit“. Und sobald Herr Schulz zur Mitte des Konzerts mit schwarzer Wollmütze erscheint, fällt es einem dann nicht nur optisch wie Schuppen von den Augen: Nicht nur Oomph, sondern auch HIM lassen grüßen. Aber: Die Musik rockt und treibt, vor allem aber gefällt es den Leuten, die die Band so lautstark abfeiern, dass Herr Schulz in den Pausen mehrfach ungläubig und ergriffen am Bühnenrand steht und sich immer wieder freundlich bedankt. So sind UNZUCHT der perfekte Anheizer.

Punkt 21.15 Uhr geht die Fahrt los, für 110 Minuten pflügt der EISBRECHER quer durch die jubelnde Meute und hinterlässt keine Kälte, sondern warme Freude in allen Herzen. Das Drumherum ist nahezu perfekt: Wir müssen nicht über den Sound sprechen, der drückt und schiebt, der brummt und faucht, dabei aber transparent alle Instrumente trennt und der jederzeit warmen und kraftvollen Stimme Herrn Wesselskys das satte Fundament bietet. Auch die Optik stimmt wie immer bei EISBRECHER. Die Bühne dieses Mal ein Stahl ähnliches Grau, darauf abgestimmt der Hintergrund, das Licht, die Requisiten und die Bühnenkleidung der vier Musiker. Bei „Eisbär“ stilecht in weißen Jacketts, bei „Amok“ vier neue leuchtende Tonnen. Besonders imposant ist wie immer „Eiszeit“, bei der es während des Songs unentwegt von der Bühne schneit.

Es beginnt nach einem kurzen Intro mit „Sturmfahrt“ vom neuen gleichnamigen Album, und der EISBRECHER ist sofort auf voller Fahrt voraus. Die Band spielt sich quer durch ihre Hits. Dazu gibt es noch drei weitere Songs vom neuen Album zu hören, die sich nahtlos einfügen in das bisherige Repertoire: „Das Gesetz“, „Automat“, „Wo geht der Teufel hin“. Nach drei Songs werden von Herrn Wesselsky freundlich, aber bestimmt die PressefotografInnen verabschiedet und das Publikum energisch dazu aufgerufen, die Handys wegzupacken und die Show zu genießen (Herr Wesselsky wird im Verlauf des Konzerts einen uneinsichtigen Zuschauer deswegen noch freundlich rüffeln.). Die Band nimmt ihre Fans jederzeit mit, feiert ihre Musik und ihre Fans, und lässt sich von diesen zwischen den Liedern selbst immer wieder feiern.

Sturm und Eis prallen ab an dieser gut geölten, mächtigen, brachialen Eisenmaschine, die sich durch die Ohren, Schädel, Beine der Menge pflügt. Es braucht keinen Funken, der überspringen muss, vom ersten Song an brennt und knistert es lichterloh. Was diese Band immer wieder auszeichnet, ist ihr Gleichklang aus Professionalität und Spaß. Die Darbietung ist optisch und musikalisch choreographiert, und doch sind da auch immer Ecken und Kanten, die einem stets vor Augen führen: Das ist Live. Das ist Leben! Alles sitzt, und dennoch bleibt stets ein Spalt offen, der jederzeit ins Chaos, ins Spontan führen kann. Die Band hat ihren Spaß. Und auf der Brücke steht Herr Wesselsky, der unangefochtene Kapitän. Er führt mit feinem Humor durch das Programm, bezieht das Publikum ein und spart auch nicht mit Selbstironie („Wir spielen jetzt unseren härtesten Song. Das ist Metal. Schon fast Death.“ Um dann die eher melancholische Halbballade „Wo geht der Teufel hin“ folgen zu lassen). Auch an wenigen, aber fein gesetzten klaren politischen Ansagen fehlt es nicht. Die verpuffen nicht, sondern werden von Applaus begleitet.

Zum Ende gibt es die heftigst geforderten Zugaben, auch das obligatorische „Miststück“, bevor alle Zuschauer glücklich und zufrieden hinaus in die Nacht strömen und den Eisbrecher in ihren Herzen weitertragen werden. Bis zur nächsten Sturmfahrt! Ahoi!

Hendrik

 

Die weiteren Bilder sind in der Galerie zu sehen.

Setlist:

Intro

Sturmfahrt

Willkommen im Nichts

Das Gesetz

Automat

Fehler machen Leute

Eisbär

Amok

So oder so

Die Engel

Prototyp

Himmel, Arsch und Zwirn

Wo geht der Teufel hin

Eiszeit

1000 Narben

Was ist hier los?

This Is Deutsch

 

Verrückt

Drumsolo

Miststück