Haudegen (D) – Blut Schweiß und Tränen
Wer sich „La Familia“ in den letzten Jahren genährt hat, durfte eine Band kennen lernen, die unterschiedlicher wohl kaum
Wer sich „La Familia“ in den letzten Jahren genährt hat, durfte eine Band kennen lernen, die unterschiedlicher wohl kaum sein könnte. Zumindest wenn man die musikalische Vergangenheit der beiden Akteure Sven und Hagen kennt, die beide aus dem Hip Hop kommen und irgendwann keine Lust mehr auf aufgesetztes Image und albernes Gehabe mehr hatten. Bereits ihr Debüt „Schlicht & Ergreifend“ schlug 2011 wie eine Bombe im Deutschrock ein. Sie sind für gefühlvolle Songs genauso bekannt, wie für hart rockende Nummern mit aussagefähigen Texten, die eines sind: ehrlich und direkt. Nach einem Ausflug in alte Berliner Melodien, legen die aus Berlin Marzahn stammenden Ghetto Kings nun eine aus drei Teilen bestehende musikalische Reise vor, die jeden Fan begeistern wird.
Den Anfang macht das fast schon in Onkelz Gefilde vordringende Werk „Blut“, das viel Wut in sich trägt, hart rockend dem Hörer einen echten Scheitel zieht und Haudegen in einer Härte präsentiert, wie sie bisher von den Berlinern nicht bekannt war. Mit „Blut“ kehren Haudegen nun zu ihren Wurzeln zurück: Es wird laut und kompromisslos! „Bei ‚Blut‘ hörst du eine Wut. Die Platte ist sehr stur, aggressiv und voller Energie. Wir nehmen kein Blatt vor den Mund und sprechen die Dinge so an, wie sie sind“, sagt Hagen. „Die Wahrheit tut halt manchmal weh, aber das ist in Ordnung – wenn man seine Wut immer nur unterdrückt, dann geht es einem damit nicht besser, sondern schlechter. Wut kann dich kaputt und depressiv machen.“ Also, raus damit! Dass dabei Hymnen im Haudegen-Stil entstanden sind, liegt auf der Hand. Außerdem wollen Haudegen „mit dem ‚Blut‘-Album die rechte Tür vernageln“, wie Sven erklärt. „Die großen Topplayer in der Deutschrockszene, die die großen Hallen voll machen oder am Hockenheim-Ring spielen, kokettieren damit. Die lassen sich das rechte Hintertürchen auf, damit sie schön viel verkaufen. Aber wir finden es zum Kotzen, wenn auf Konzerten Reichskriegsflaggen hängen! Das gibt es bei uns nicht und hat in der Musik nichts zu suchen! Deswegen ist es uns so wichtig, auf ‚Blut‘ auch politische und gesellschaftskritische Aussagen zu machen.“
Weiter geht es mit „Schweiß“, dem Album, das als legitimer Nachfolger für „Lichtblick“ stehen kann und dem Sound sehr nahe kommt, quasi ein Hybrid aus „Schlicht & Ergreifend“, „En Garde“ und „Lichtblick“. Hier gibt es Songs über Liebe, Freundschaft und Familie, die den Geist von Haudegen nahezu perfekt transportieren. Was auf Herzen wirken soll, muss von Herzen kommen. Frei nach diesem Motto haben Haudegen ihr Album „Schweiß“ geschrieben: „Wenn ‚Blut‘ der Kopf ist und ‚Tränen‘ die Seele, dann ist ‚Schweiß‘ das Herz von Haudegen!“ Hagen Stoll ist sich sicher: „Diese Platte zu machen, ging uns einfach von der Hand – das ist einfach Haudegen wie man sie kennt.“ Wer den wütenden Typen vom ‚Blut‘-Album nicht erleben will, bekommt hier den Haudegen, der ganz auf entspannt macht. Denn ein Haudegen ist zwar hart, wenn es drauf ankommt, – aber auch herzlich. Es birgt Härte genauso in sich wie die balladesken Momenten, die Haudegen bereits seit ihrem ersten Album ausgezeichnet haben. Texte, die jeden Fan ansprechen, sich nicht einfach nur in Platitüden ergehen, sondern durchaus auch zum Nachfühlen einladen.
Der letzte Teil der Trilogie hört auf den Namen „Tränen“ und zeigt, wie sollte es anders sein, die Band von ihrer sanften und gefühlvollen Seite. Nachdenklich, emotional und fast schon verletzlich gehen die Songs tief ins Herz und werden von einer Melancholie getragen, die trotz ihrer Tränen doch den Freiraum für Entfaltung bieten und Hoffnung verbreiten. „’Tränen‘ ist melancholisch und vom Klang her sehr weich.“, sagt Sven Gillert und hält kurz inne. „Tränen sind ein Wunder der Natur und wir stehen einfach dahinter, wenn wir mal weinen müssen. Auch, wenn uns tausende Leute dabei zusehen. Tränen sind etwas so Menschliches, deswegen sind die Lieder auf dem Album auch total ehrlich geworden. Es kommt drauf an, wie du mit den Tränen umgehst. Wenn du dich schämst, dann funktioniert es nicht“, sagt Sven. Im wahrsten Wortsinne haben sich Haudegen auf „Tränen“ alles von der Seele geschrieben, ihren Tränen freien Lauf gelassen. Zwei roughe Typen singen Balladen, die den Leuten ans Herz gehen: „Das Phänomen ist noch nicht erklärt“, sagt Hagen Stoll und lacht. „Aber diese Art von Musik gehört einfach auch zu unseren Stärken: Zwei Stimmen, ein Klavier“, unterstreicht er. „Wir nennen das im Studio immer den Haudegen-Moment: Seine Stimme, meine Stimme – da passiert irgendwas. Es ist vielleicht nicht ganz perfekt. Aber da denkste dir nur: Alter, ist das schön! Wie Magie!“
Mit dem Dreier ist Haudegen diesmal etwas gelungen, was man in dieser Form wohl nicht erwarten durfte und doch den Kosmos der Haudegen so wunderbar darstellt. Authentisch, ehrlich und nah am Fan und den Menschen. Wer sich nicht mit allen drei Alben identifizieren kann oder eine Seite besonders bevorzugt, kann auch auf die Einzelalben zurückgreifen. Für alle anderen gibt es die Dreier-Box.
Fazit: Mit Sicherheit die derzeit besten Haudegen, wie man sie liebt.
„Blut“:
- Blut, Schweiß und Tränen
- Die Stimme der Gosse
- Echt zu sein, heißt Feinde zu haben
- Patriot
- Stoff, aus dem die Träume sind
- Halb so frei, halb so wild
- Ich treff dich da, wo es noch weh tut
- Eure Arroganz
- Einigkeit, Recht und Freiheit
- Nur, damit du an mich denkst
„Schweiß“
- Heute für immer
- Atlantis in den Wolken
- Das vergess ich dir nie
- Wilde Orchideen
- Happy End
- Mit Gefühl
- Du hast einen Freund in mir
- Das gefällt mir
- Dein Augenblick
- Himmel im Herz
„Tränen“:
- Auch wenn alle so tun
- Lass mich traurig sein
- Nach mir deine Träume
- Ohne Worte
- Mein Vater und ich
- Lachen verlernt
- Goldene Tränen
- Ein Geschenk
- Einmal für mich
- Zerbrochene Rosen
Label: Blut, Schweiß & Tränen/Tonpool
VÖ: 21.07.2017
Laufzeit: 104:56 Min.
Herkunft: Deutschland
Stil: Rock
Webseite: http://www.haudegen-info.com/