Interview: HÄMATOM
Am 05.12.2017 hatte ich die Gelegenheit, mit HÄMATOM über das aktuelle Album „Bestie der Freiheit“ zu sprechen, um auf
Am 05.12.2017 hatte ich die Gelegenheit, mit HÄMATOM über das aktuelle Album „Bestie der Freiheit“ zu sprechen, um auf jeden Song einzugehen. Überpünktlich hatte ich Süd (Schlagzeug) und Ost (Gitarre) an der Strippe und es ging flüssig vom Neuanfang über schwere Geburten, „Mini-Osts, Mini-Süds, Mini-Wests, Mini-Nords“ bis…lest selbst!
HÄMATOM:
Servus, Süd und Ost hier.
MG:
Moin, und hier ist Totti von www.metalglory.com. Gehen wir doch einfach gleich in die Vollen und sprechen über das aktuelle Machwerk, welches am 26.01.2018 erschien. Mein Review ist fertig und Gedanken habe ich mir auch zu einigen Songs gemacht. Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass mir die „Bestie der Freiheit“ sehr gut gefällt. Doch meine erste Frage betrifft die Release-Tour: Warum wird Frankfurt / Main ausgelassen?
HÄMATOM:
Die 4 Dates der „Release-Tour“ beziehen sich beschränkt auf 4 Städte im Norden, Osten, Süden und Westen… Aber wir versprechen, dass wir uns auf der nächsten Tour 2018 wieder in Frankfurt blicken lassen werden.
MG:
Sehr schön, Danke. Wir werden uns sehen… Das Album ging in den letzten Tagen diverse Male rauf und runter bei mir und um zu einem Anfang zu kommen; im 1. Song fallen Worte wie „…kein Bock mehr auf Gott sein…“, „…Neu-Anfang…“, „…Schluss mit alten Traditionen…“ und nach den vielen Durchgängen frage ich mich einfach, was ist anders, was ist neu?
HÄMATOM:
Hahahaha… Ok, ich höre da raus, dass das für Dich nicht neu klingt. Für uns ist das tatsächlich ein neuer Kapitelaufschlag, doch ich denke auch, dass man das etwas separater sehen muss. Wenn wir dabei über das ganze Album sprechen, muss ich Dir widersprechen denn wir haben diesmal textlich eine persönlichere Note mit einfließen lassen. Wir haben diesmal die Betrachterposition verlassen und haben mehr persönliche und private, autobiografische Dinge in den Songs untergebracht. Ich denke auch, dass es nicht nur textlich ganz große Unterschiede zu den Vorgängeralben gibt, auch musikalisch würde ich sagen, dass wir mehr auf den Punkt kommen. Natürlich gibt es die typischen Trademarks aber einen getragenen Song wie zum Beispiel „Lichterloh“ hatten wir noch nicht im Programm. Es gibt durch den Facettenreichtum auf „Bestie der Freiheit“ einen großen Unterschied zu den Vorgängeralben.
MG:
Aus meiner Hörweise klingt das Album stellenweise leicht nach Peter Tägtgren (PAIN), ist das beabsichtigt?
HÄMATOM:
Nee, den hatten wir tatsächlich nicht auf dem Schirm…es klingt tatsächlich anders, das war aber auch von uns beabsichtigt. Wir haben zum ersten Mal mit dem Produzenten Vincent Sorg zusammengearbeitet, der ja auch u.a. für seine Arbeit mit den TOTEN HOSEN, BROILERS und IN EXTREMO bekannt ist. Und uns war eindeutig klar, dass wir uns soundmäßig in eine andere, neue Richtung entwickeln wollen. Nords Stimme sollte mehr Facetten bekommen, an gewissen Stellen der Sound kantiger sein, an anderen Stellen passend weniger,…es war wirklich beabsichtigt, sich so eine neue Sound-Ästhetik zu bauen. Aber direkt an PAIN haben wir uns nicht orientiert.
MG:
Der direkte Vergleich hinkt auch komplett, aber ich hörte Paralellen…
HÄMATOM:
Das kann ja auch möglich sein. Grundsätzlich klingt HÄMATOM wie HÄMATOM doch wenn wir uns diverse Mixe der großen Ami-Produktionen wie zum Beispiel SLIPKNOT oder FFDP angehört haben, um nicht abzukupfern sondern um einfach nur zu hören wie die das machen, bleibt vllt. schon mal was hängen, ohne es bewusst geklaut zu haben. So betreiben es viele Bands im Studio wenn sie überlegen, wohin denn nun soundmäßig der Weg führen soll.
MG:
Zu Beginn des Song „Warum kann ich nicht glücklich sein“ fiel mir zum Beispiel die entfernte Ähnlichkeit auf…Und er ist definitiv eines von vielen Highlights auf dem Album. Druckvoll, mächtig,…welchen Hintergrund hat der Song, der von mir aus als 15 Minuten Remix erscheinen kann?
HÄMATOM:
Hahaha…das mit der Musik haben wir ja eben schon geklärt. Textlich geht es um dieses Zeitgeistphänomen der Wohlstandgesellschaft in dem alles vorhanden ist, wovon andere Menschen in anderen Ländern nur träumen…und trotzdem werden wir wach und sind nicht glücklich mit dem was wir alles haben. Da passt irgendwas nicht und wir sollten uns jeden Morgen kurz bewusst machen, mit welchem Wohlstand wir leben, was wir alles haben um mal wieder ein bißchen mehr auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen und glücklicher werden. Die Grundidee zum Song kam vom Ost, der das regelmäßig erlebt und irgendwie habe ich das auch in mir drin. Bist daheim, alles um Dich herum passt aber trotzdem: biste nicht zufrieden, biste nicht glücklich. Das war so der Anstoß für diesen Song, und wir haben auch von vielen anderen Leuten gehört, dass sie ähnlich empfinden.
MG:
Ist „Mein Leben, meine Regeln“ ganz einfach selbsterklärend?
HÄMATOM:
Im Prinzip ja…musikalisch ist der Song ein perfektes Ventil wenn es Dir mal wieder reicht, Dich mal wieder etwas oder jemand auf der Arbeit nervt oder etwas im Umfeld anstinkt, wenn Du einfach schlecht drauf bist,…gehst nach Hause oder steigst ins Auto und setzt Dir Kopfhörer auf, drehst diesen Song auf und er hilft Dir dabei wieder bewusst zu machen, dass das DEIN Leben, DEIN Ding ist!
MG:
„Mörder“ ist eine klare Anprangerung, im typischen HÄMATOM-Stil würde ich sagen…
HÄMATOM:
Ja da liegst Du auf jeden Fall richtig. Ein ganz klarer Song gegen die da oben, die z.B. Mindestlöhne schaffen von denen keiner leben kann, mit Regeln spielen um Menschen in den Krieg zu schicken…GEGEN DIE OBRIGKEIT!
MG:
Wer hatte denn von Euch ein bißchen Liebeskummer gehabt, wenn ich nach dem Song „Ich hasse Dich zu lieben“ gehe?
HÄMATOM:
Hahaha….im konkreten Fall keiner doch ich kenne das Gefühl wenn Du mit jemanden zusammen bist den Du unfassbar liebst, aber irgendwie haut´s doch nicht hin und es ist so eine Art Hassliebe. Irgendwie kannst Du nicht mit, kannst aber auch nicht ohne…bist Dir selbst nicht sicher, zerrissen zwischen diesen Gefühlswelten. Achtet auf den Text: in den ersten beiden Refrains regen wir uns darüber auf, hassen es, uns zu lieben; im letzten Refrain, wenn man sich nach einem Streit mal kurz aus dem Weg gegangen ist, mal kurz inne gehalten hat und sich vor Augen geführt hat, wie wichtig einem doch dieser Mensch ist, dreht sich das Ganze einfach und man liebt es, diesen Menschen zu hassen und man kann sich gar nicht vorstellen in diesem Moment einen anderen Menschen zu hassen….
MG:
„Lange nicht perfekt“ verstehe ich als einen HÄMATOM Partysong…!?
HÄMATOM:
Hmmmm…ich würde ihn eher als Fansong beschreiben. Also wir und die Fans stehen da, wie wir sind. Wir sind nicht perfekt, vorgegaukelt durch hochstilisierte Pop- und Mode-Ikonen, wobei wir letztendlich ja auch wissen, dass Menschen wie Robbie Williams, Madonna und Co auch nicht wirklich perfekt sind.. Doch sind wir zusammen, sind wir aus unserer Sicht perfekt! Ein typischer HÄMATOM Fansong eigentlich.
MG:
Auf wen, wem oder was wird in dem Song „Zur Hölle mit“ gepfiffen? Gesellschaft, Religion, Politik?
HÄMATOM:
Eindeutig auf die Gesellschaft. Berechtigter Einwand, aber wir haben dabei nicht an das religiöse Bild gedacht, es geht eindeutig gegen die Gesellschaft.
MG:
„Unter Strom“ markiert auch in bester mitsingbarer HÄMATOM Manier die Aufbruchstimmung…
HÄMATOM:
Genau, ein echter Rebellionssong. Sich nicht alles gefallen lassen, auf die Straße gehen…zerstören um wieder neu aufzubauen. Fäuste hoch und kämpfen für das, was einem wichtig im Leben ist. Und sich nicht alles vorschreiben lassen!
MG:
„Bis zum letzten Atemzug“ ist ein recht bitter Song…
HÄMATOM:
Ja, bitter kann man sagen. Eine sehr traurige Nummer weil von uns vor kurzem eine sehr gute Freundin gestorben ist und dieser Song ist ganz allein Ihr gewidmet.
MG:
Ich finde, in dem Song schwingt etwas TOTEN HOSEN mit…
HÄMATOM:
Tatsächlich haben wir das jetzt schon öfter gesagt bekommen, bist nicht der erste. Wir haben das überhaupt nicht gehört. Keine Ahnung, irgendwie klingt irgendwas immer nach irgendwem , hahaha…deswegen: das war weder beabsichtigt noch finden wir, dass irgendein Part nach TOTEN HOSEN klingt. Aber auch nicht schlimm, ist ja auch ´ne geile Band. Hier ist der Text das ausschlaggebende!
MG:
Wirklich, auch eins der genannten Highlights für mein Gehör, super Lyrics, Gänsehaut-treibend…
HÄMATOM:
Dankeschön. Ich finde es schön wenn der Song die Menschen da trifft, wo er sie auch treffen soll.
MG:
Auch die Ballade „Lichterloh“ wird auf den kommenden Konzerten für flächendeckende Gänsepelle sorgen…
HÄMATOM:
Ja das hoffen wir auch, der Song war auch eine schwere Geburt…
MG:
Warum?
HÄMATOM:
Also musikalisch stand der Song recht früh, es hat sich auch kaum was verändert. Textlich war es für uns eine schwere Geburt weil es schon ein Wagnis war, so soft…hmmm, falsches Wort…so ruhig zu werden und sich so auf Nord zu konzentrieren um seine Stimme auch so klingen zu lassen, wie sie in diesem Song klingt. Da musste einfach der passende Text her, was uns beim 1. Mal tatsächlich nicht gelungen ist. Vielleicht waren wir auch noch nicht bereit das zu ändern weil wir das Thema nicht verwerfen wollten, gescheiterte Liebe. Irgendwann später standen wir nach Feierabend auf der Studiotreppe, haben uns das nochmal angehört und haben beide gleichzeitig festgestellt, das dieses Thema eigentlich nicht zu Nord passt. Also haben wir uns wieder hingesetzt, nochmal an den Textschrauben gedreht und haben dann irgendwann mal dieses Thema gehabt wobei es nicht nötig war, den kompletten Text sondern nur einige Parts zu verändern und nun feiern wir in diesem Song diese Zeit zwischen 14 und 18 oder so…die Zeit der ersten Male, ungezwungen auf die Straße gehen, in die Parks, informieren wo heute was abgeht, wo trifft man Freunde, wo ist ein geiles Konzert…wo man sich keine Gedanken um seine Zukunft macht oder anderen wichtigen Sachen…wo einfach nur der Moment zählt. Ich glaube, wir haben das letztendlich textlich ganz gut getroffen.
MG:
Ich hätte gedacht, „Der Todesmarsch“ wäre vielleicht der schwerste Song geworden…
HÄMATOM:
Eigentlich gar nicht…inspiriert ist er durch das gleichnamige Buch von Stephen King, das war die erste Idee zu diesem Song.
MG:
Für mich klingt er wie das deutsche Pendant zu MOTÖRHEADS „1916“…
HÄMATOM:
Siehste, auch ein schöner Song. Kommt immer drauf an, wo man musikalisch herkommt, hahaha Nee, das Buch war der Anstoß zu dem Song und während des Schreibens, hat sich das zum Anti-Kriegssong entwickelt. In Sicherheit sitzende Führer die aus Gründen der Gier und Macht Soldaten in die Schlachten schicken, ohne Rücksicht auf Verluste. Das besondere war diesmal die musikalische Umsetzung, eine Idee von Vincent. Der Song stand bereits als Rockbandnummer, war uns aber nicht stark genug und irgendwann kam Vincent um die Ecke und hat die Idee ins Spiel gebracht, das ein bißchen in den „Fluch der Karibik“-Style umsetzen zu wollen. Wir haben uns dann nochmal 2-3 Tage rangesetzt und an dieser Version gebastelt und waren auch ziemlich schnell davon angetan. Er kam auch bei den Listeningsessions mit den Fans überraschend gut an. Ganz wichtig ist auch das Outro des Songs…mit den marschierenden Soldaten und das Album mit dem Wort LINKS aufhört.
Clever…
MG:
Hehe…eindeutig Stellung bezogen. Wofür sind die erstklassigen Bonustracks gedacht?
HÄMATOM:
Für die Fanbox. In der sind auch jeweils eine Figur von uns enthalten…Megageile 3D Figuren, die sind schon echt sagenhaft geworden. Sieh Dir mal auf Youtube das Video an, in dem die Figuren gezeigt werden (Links unten!). In dem Song „Schrei nach Verschwörung“ geht es u.a. auch um die Verschwörungtheoretiker, zum Beispiel auf Facebook oder so. Bestandsaufnahme der momentanen Stimmungen, die in den sozialen Netzwerken derzeit vorherrschen.
MG:
Supergeile Textzeile: „…jede Wahrheit ist auch nur eine Lüge…“! Auch „Bon Voyage“ könnte sich zu einem echten Livekracher entwickeln….
HÄMATOM:
Dankeschön…ich weiß auch nicht genau, warum diese beiden Songs jetzt die Bonustracks sind. Sie sind genauso wertig wie die anderen Songs, aber für irgendwas muß man sich ja entscheiden.
MG:
Da gebe ich Euch recht, Sie passen, ohne qualitativ abzufallen, bestens in den Albumflow, wobei das reguläre Albumende ja mit dem Wort „Links“ gut durchdacht ist. Wie verlief die Zusammenarbeit mit Vincent Sorg?
HÄMATOM:
Ich würde sagen, dass wir eine sehr lange Zeit lang, Vincent häufiger als unsere Familien sahen. Aber es war einfach klasse. Das Ergebnis kann sich, glaube ich, hören lassen. Wir sind der Meinung, dass die Zusammenarbeit für alle Beteiligten fruchtbar war.
MG:
Ich bedanke mich für das Gespräch, habt Ihr ein paar berühmte letzte Worte:
HÄMATOM:
Na klar…Sorry Frankfurt, aber wir holen das später nach. Genießt unser Album und lasst uns zünftig in diesem Jahr auf den Konzerten feiern!
MG:
Alles gesagt…
HÄMATOM sind:
Nord: Gesang
Süd: Schlagzeug
Ost: Gitarre
West: Bass
Aktuelles Album: Bestie der Freiheit (bereits erschienen)
Review → https://www.metalglory.com/haematom-de-bestie-der-freiheit/
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