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PLACEBO “Never Let Me Go“-Tour 2022, Support Deadletter, 22.10.2022 in Hamburg, Barclays Arena

Placebo haben in diesem Jahr nach einer neunjährigen Pause, zumindest was ein neues Album anbelangt, endlich wieder ein neues

PLACEBO “Never Let Me Go“-Tour 2022, Support Deadletter, 22.10.2022 in Hamburg, Barclays Arena

Placebo haben in diesem Jahr nach einer neunjährigen Pause, zumindest was ein neues Album anbelangt, endlich wieder ein neues Werk am Start. Mit „Never Let Me Go“ im Gepäck kehrten die Briten nun auch auf die Bühnen zurück. Am Samstag stand also Hamburg auf dem Zettel und mit ihrem Support-Act Deadletter konnten sie die mit 12.000 Fans gefüllte Barclays Arena zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißen.


Doch der Reihe nach. Mit Deadletter, die aus London und Yorkshire stammen, stand dann um 20:00 Uhr erst mal eine junge Band auf der Bühne, die hierzulande wohl noch ziemlich unbekannt ist. Zwei Gitarren, Bass, Drums und Saxophon sind dabei sicher eine Konstellation, die nicht alltäglich ist. Mit Sänger Zac, der wie eine Mischung aus dem jungen Bowie und Ian Curtis wirkte, hat die Band einen mehr als agilen Fronter, der es alleine aufgrund seiner Präsenz schafft das Publikum in seinen Bann zu ziehen.

Musikalisch betrachtet sieht sich die Band im Post Punk, bot live aber auch Ska, Brit-Pop und LSD geschwängerten Psychedelic Rock. Agil, frisch und voller Tatendrang präsentierte sich die noch junge Band. Nach ein paar Songs kam allerdings auch ein wenig Langeweile auf, was ein paar Zuschauer doch immer wieder an die Biertresen oder die frische Luft zog. Doch unterschätzen sollte man Deadletter nicht, denn was hier an Energie auf die Bühne gebracht wurde, sieht man nicht alle Tage. Vielleicht verstehen sie es ja noch ihren Songs ein wenig mehr Eingängigkeit zu verpassen, dann könnte das mit der Band irgendwann klappen. Stolze 45 Minuten, für einen Support eher ungewöhnlich, durften sie sich präsentieren und haben zumindest eine recht gute Visitenkarte abgeben können.


In der Umbaupause, die mit 20 Minuten erfreulich kurz war, lief über die Screens immer wieder der Hinweis darauf, die Mobiltelefone heute mal stecken zu lassen. Erst kürzlich haben Placebo eine Show abgebrochen, weil die Zuschauer dieser Bitte nur bedingt gefolgt sind. Der Hinweis an sich ist natürlich absolut zu begrüßen, gibt es doch wohl kaum etwas nervigeres als den Vordermann, der ständig sein Telefon in die Höhe streckt, vielleicht sogar Videos aufnimmt, die später sowieso nie wieder betrachtet werden. Ob man dieser Bitte allerdings seitens der Security so strickt nachkommen muss, lassen wir einfach mal unkommentiert stehen. Doch es sollte ja um Musik gehen und vor allem um eine Band, die schon länger nicht mehr auf deutschen Bühnen zu finden war.

Die beiden Hauptrecken, Brian Molko und Stefan Olsdal, hatten sich für die Tour mit zwei Gitarristen, Drummer und Keyboarderin verstärkt, um ihren Sound auf die Bühne zu bringen. Was von Anfang an auffiel, war die geniale Umsetzung und das Zusammenspiel von Licht und Bühne in Verbindung mit dem Sound. Die Barclays Arena ist sicher nicht einfach zu beschallen und häufig geht Lautstärke vor Klang. Doch was die Sound-Engineers hier abgeliefert haben, war schon großes Kino, auch wenn es stellenweise ein wenig übersteuert wirkte. Beeindruckend waren die Screens, wovon 12 an der Zahl für den Background eingesetzt wurden und stolze fünf über der Bühne thronten. In ihrer Ausrichtung immer wieder verändert, zeigten sie stets ein neues Bühnenbild, ohne das auf der Bühne irgendwas verändert wurde. Verzerrte Bilder, mal in schwarz/weiß, mal schillernd bunt, ließen die Zeit wie im Flug vergehen.

Wobei man auch anmerken muss, dass Brian extrem sprechfaul war. Kein einziges Wort des Dankes, der Begrüßung oder der Verabschiedung war von ihm zu vernehmen. Das hatte schon Dylan-sche Ausmaße und wird, so hoffe ich zumindest, eher gesundheitliche Hintergründe gehabt haben um die Stimme zu schonen. Doch auch Stefan ließ sich nur ein paar Mal dazu hinreißen ein paar Worte ans Publikum zu richten. Dabei ist es doch vor allem die Interaktion mit dem Publikum, die einen gewöhnlichen Gig zu etwas besonderem werden lässt. Egal. Die Band präsentierte sich in Spiellaune, wobei fast jeder Song direkt an den nächsten anschloss. Erstaunlich war, dass Placebo an diesem Abend nahezu das komplette neue Album gespielt haben, dabei natürlich auch auf einige Fan-Favoriten verzichtet haben. Sehr zum Leidwesen einiger Fans übrigens.

Satte 21 Songs gab es in einer reinen Spielzeit von knapp 95 Minuten. Okay, die Ramones haben in ihren besten Tagen mehr Songs in weniger Minuten zum Besten gegeben. Aber das ist schon ein stolzes Brett, das Placebo hier abgeliefert haben. Das Publikum war sichtlich begeistert, viele tanzende Fans, die sich den Sounds einfach hingaben. Dadurch, dass keine Zeit für Ansage „verschwendet“ wurde, war das Konzert viel zu schnell vorbei, schien die Zeit regelrecht zu verfliegen. Dass als Zugabe lediglich nur ein eigener Song auf der Setliste stand, war zwar schade, wäre das doch genau der Moment gewesen noch ein paar Favoriten/Hits zu spielen (denn, es gab ja nicht z.B. „Without You I´m Nothing“).
Dennoch (oder auch gerade aufgrund der Konzentrationen von neuen Songs) war es großartig die Band in dieser bestechenden Form erleben zu dürfen und wo man hinsah, waren nur glückliche Gesichter wahrzunehmen.
Ein toller Abend, der hoffentlich bald wieder kommt. Danke Placebo, danke Hamburg, danke FKP Scorpio!


Setlist PLACEBO in Hamburg
 – (Titel, Album, VÖ-Jahr):

Forever Chemicals - Never Let Me Go (2022)
Beautiful James - Never Let Me Go (2022)
Scene Of The Crime - Loud Like Love (2013)
Hugz - Never Let Me Go (2022)
Birthday In The Sky - Never Let Me Go (2022)
Bionic - Placebo (1996)
Twin Demons - Never Let Me Go (2022)
Surrounded By Spies - Never Let Me Go (2022)
Chemtrails - Never Let Me Go (2022)
Sad White Reggae - Black Market Music (2000)
Try Better Next Time - Never Let Me Go (2022)
Too Many Friends - Loud Like Love (2013)
Went Missing - Never Let Me Go (2022)
For What It’s Worth - Battle for the Sun (2009)
Slave To The Wage - Black Market Music (2000)
Song To Say Goodbye - Meds (2006)
The Bitter End - Sleeping with Ghosts (2003)
Infra-red - Meds (2006)
Zugabe:
Shout
Fix Yourself - Never Let Me Go (2022)
Running Up That Hill - Covers (2003)

 

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