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Thomsen – Du musst lieben was du machst

Hannover ist ein Dorf. Hier läuft man sich immer wieder über den Weg, kennt man sich auch szeneübergreifend. Musik

Thomsen – Du musst lieben was du machst

Hannover ist ein Dorf. Hier läuft man sich immer wieder über den Weg, kennt man sich auch szeneübergreifend. Musik verbindet eben. Wenn man, wie René Thomsen, schon eine Ewigkeit im Rock‘n‘Roll Zirkus unterwegs ist und seine Brötchen damit verdient die Bands und Künstler mit musikalischem Equipment auszustatten, dann kennt man zwangsläufig auch Gott und die Welt. Dass dann irgendwann auch der Wunsch nach einem eigenen Projekt wächst, liegt ja fast schon auf der Hand. René hat sich diesen Traum 2009 mit dem Album „Let‘s Get Ruthless“ erfüllt. Das Album, produziert von Herman Frank (Accept, Victory), einem langjährigen Freund, konnte dabei vor allem mit einigen großen Namen des Metals aufwarten. So zählten Bobby Jarzombeck, Neil Murray oder Nibbs Carter zur illustren Gesellschaft. René bewies hier erstmals, dass er zweifelsohne Songs schreiben kann und auch das Spiel der Sechssaitigen beherrscht. Gute 5 Jahre später erschien mit „Unbroken“ ein weiteres Album, das auch diesmal wieder mit großen Namen, wie Carmen Appice, Mathias „Don“ Dieth, Udo Dirkschneider und Bobby Jarzombek, aufwarten konnte. Während das Debüt noch von dem Hannoveraner Sänger Jürgen Wulfes eingesungen wurde, vergab René den Posten des Sängers diesmal an Robert Soeterbeck. Nun liegt mit „III“ der dritte Streich vor, wozu uns René Rede und Antwort gestanden hat.

Wir trafen uns an einem herrlichen Sommertag in seiner Firma BRS (Backline Rental Service) und unterhielten uns erst mal über die Vergangenheit, gemeinsame Freunde und Bekannte und das Business an sich, bevor es mit dem eigentlichen Interview dann losgehen konnte. Über den Umweg des Versendens einer CD in die USA kamen wir dann zum Thema Solo. „Wenn man etwas verstanden hat, ist alles simpel. Wenn ich verstehen würde wie ein Solo geht, würde ich auch Soli spielen.“ Na ja, so ganz stimmt das ja nicht, sind es doch immerhin zwei Soli, die der Meister beisteuert. „Ich habe noch eines angefangen, habe dann Niklas (Turmann, der Neue am Bass) gebeten die zweite Stimme zu spielen. ´Ey du ziehst so schön – spiel doch gleich beide Stimmen.‘ Es geht ja schließlich um das Album und nicht um aufgeblasene Egos. Niklas ist ein fantastischer Musiker, der eine großartige Auffassungsgabe hat und sofort umsetzen kann, was ich mir vorgestellt habe. Die Hauptarbeit aber macht Michael Pesin, der auch schon beim Vorgänger sein außerordentliches Talent unter Beweis stellen konnte. Daneben hat Mathias „Don“ Dieth im Opener „Rise“ ein Solo beigesteuert. Zu bemerken ist, dass René zwar die Zügel fest in der Hand hält, sich aber nicht als Diktator seiner Band sieht, sondern eher als Mitmusiker, scheint doch aus dem einstigen Projekt inzwischen eine echte Band geworden zu sein. „Auch wenn es diesmal den Wechsel am Bass und am Schlagzeug gab, sind wir eine kleine Familie.“ Überhaupt steht das Album unter dem Banner Band, denn niemand spielt sich in der Vordergrund, stand doch das Endprodukt im absoluten Vordergrund. „Ich singe übrigens auch einen Song. Hast Du das gehört?“ Der Unterschied zu Jürgens Stimme ist natürlich sofort erkennbar. „Wenn du glockenklar singst wie Jürgen, dann musst du es auch können wie Jürgen.“ René aber macht seine Sache gut und man stellt sich die Frage, ob wir in Zukunft nicht vielleicht sogar noch mehr von seinem Gesang vernehmen dürfen: „Ich kann ja auch nur rhythmisch singen. Eher im weitesten Sinn von Testament oder Motörhead. Vor allem im Konzert ist es einfacher die Töne auch zu treffen.“ Okay, Understatement in Perfektion. Was die Frage aufwirft: „Gibt es schlechte Musiker? Nein. Wenn die Leute in ihrem Revier bleiben, ist doch alles gut. Ich denke, dass es keinem gut tut etwas zu schaffen, was man selber nicht ist. Du musst mit Überzeugung dabei sein. Das ist genau das, was ich machen wollte, weshalb mir die Aufnahmen diesmal auch so viel Spaß gemacht haben.“ Sicher spielt dabei auch eine Rolle, dass innerhalb der Firma BRS inzwischen ein kleines Studio entstanden ist, in dem nun auch mit zwei oder drei Leuten gleichzeitig aufgenommen werden kann. Dadurch entsteht zwangsläufig eine andere Art des Zusammenspiels und lässt auch ein Bandgefüge zu Tage treten. Doch es ist auch das Mixing, das bei einer Produktion eine mehr als gewichtige Rolle spielt. „Bevor ich zu Charlie (Bauerfeind), der Alben für Angra, Gamma Ray, Blind Guardian und Helloween nebst unzähligen anderen Bands gemixt hat, gefahren bin, ist das Album durch ein paar Hände gegangen. Aber so richtig zufrieden war ich nie. Du musst das schon verstehen und Charlie ist halt auch ein Metal-Head, der weiß was er tut.“ Genau das ist dann dem Album auch anzuhören: druckvoll, transparent und vor allem organisch klingen die Songs. „Zusammengehörig, ist das Wort. Das liegt einfach daran, dass das Album mit dem Sound, den man hört, auch eingespielt wurde. Warum soll man zig Verstärker ausprobieren wenn man genau den richtigen doch bereits hat? Macht doch keinen Sinn. Wir haben auf dem Album auch nichts gere-ampt. Warum auch? Ich spiele doch keinen Song ein, mit dem Sound, den ich haben will im Kopf, um im Nachhinein die Spuren mit einem anderen Amp nochmal neu einzuspielen.Als Hörer bekommt man das Gefühl, dass die Band live im Studio war und das komplette Album nach alter Manier zusammen eingespielt hat: „Da ist Schmutz drauf. Controlled Mayhem, ist das Zauberwort. Kreiert von Charlie, der zu dem Thema ein Video auf YouTube veröffentlicht hat. Das ist genau das, was Charlie gemacht hat. Du brauchst einfach jemanden, der solch ein Album mastern kann und man nicht das Gefühl bekommt, dass die Boxen beim Anhören aus dem Regal springen. Mir war auch wichtig, dass es wieder jemand von Außen macht. Die erste Scheibe hatte Herman Frank gemacht und die zweite Helge Engelke. Zwei ausgewiesenen Fachleute. Da konnte und wollte ich das nicht alleine machen. Hinzu kommt, dass Charlie, wenn er einen Job angenommen hat, nur für diesen Job brennt und keine weiteren Einflüsse von außen zulässt. Keine Telefonanrufe, keine Mails, die mal eben schnell beantwortet werden, sondern einfach nur das Projekt.

III“ ist, wie ich persönlich es gerne bezeichne (ohne das als Abwertung, sondern viel mehr als Trademark zu sehen), ein Album in der Tradition von Accept und dem typischen hemdsärmeligen „Teutonenmetal“. „Na ja“, sagt René, „ich mache ja keine Musik, die mir persönlich nicht gefällt. Ich verstelle mich nicht, sondern will eben auch genau das haben, was ich mir selber gerne anhöre. Deswegen hatte ich auch meine Schwierigkeiten mit „Unbroken“, das am Ende nicht so wurde, wie ich es gerne gehabt hätte. Das hatte diverse Gründe, die ich hier aber nicht weiter ausführen möchte. Für mich ist „III“ das zweite Thomsen-Album oder der direkte Nachfolger zu „Let‘s Get Ruthless“. Bei einer etablierten Band, die bereits Jahre am Markt ist, würde man das Album wohl als „Back to the roots“ bezeichnen. So finden sich auf dem Album neben den üblichen Doublebass-Attacken eben auch Songs, wie das grandiose „Nightfall“, bei dem einfach alles auf den Punkt gebracht ist. Jürgen singt grandios und der Song hat eine ganz besondere Rhythmik, die einfach vorne und hinten passt. „Das ist doch aber auch genau das, was ich erreichen will. Ich möchte auch eine gewisse Abwechslung haben und kein Album, bei dem man nach dem fünften Songs denkt, dass man das alles doch eben schon gehört hat. Authentisch und ehrlich. Und das sollte auch in Rezensionen berücksichtigt werden. Da ist ein Typ, der Kisten schiebt, die Handschuhe mal ausgezogen hat und ein Album schreibt, das von vornherein auch darauf angelegt wurde es auf die Bühne zu bringen. Rau und ehrlich und genau so, wie wir das haben wollten. Dem hat der Sound-Papst Charlie Bauerfeind dann noch den letzten Schliff verpasst, damit wir auch international damit bestehen können und konkurrenzfähig bleiben.“ Ein Wort noch zu Michael Kolar. Kennengelernt haben sich die die Beiden über Yamaha, bei denen Michael als Endorser auftaucht. Die wohl wichtigste Station als Schlagzeuger für ihn, ist dabei Almanac, die Band von Ex-Rage Gitarrist Viktor Smolski: „Michael ist einer der fantastischsten Musiker, mit denen ich jemals zusammenarbeiten durfte. Ein unheimlich lieber Mensch mit einer großartigen Auffassungsgabe und zwei ganz ausgezeichneten Ohren. Als wir zusammen geprobt haben, meinte er zwischendurch zu Michael Pesin und mir Sagt mal ihr beiden. Wollt ihr nicht mal gemeinsam in den Refrain von „Stand up and Shout“ gehen? Wir haben überhaupt nicht gemerkt, dass der eine reinslidet und der andere den Griff anschlägt.“ Kommen wir noch zu den Videos. Entstanden sind sie bei Tour Service Lichtdesign in Halle/Westfalen. Dass sie dabei dermaßen nach den 80er Jahren aussehen, ist gewollt: „Natürlich spielen wir modernen 80er Jahre Metal. Dazu passen nun mal Videos dieser Art am besten. Und am kostengünstigsten sind sie zudem auch noch. Zudem ist es für uns am einfachsten, weil die Songs genau das ja auch wiedergeben. Das Set dafür wurde eine Woche aufgebaut und war gleichzeitig auch ein Projekt für die Lehrlinge, da Live-Shows derzeit ja nur sehr bedingt stattfinden. Ich bin sehr gespannt, wie das Album dann bei den Leuten ankommt.“

Dafür wünschen wir René natürlich nur das Beste und hoffen auf mehr Shows im nächsten Jahr wenn dann hoffentlich auch endlich wieder Shows im üblichen Rahmen stattfinden dürfen.

 

Photos by Kai Schwerdtfeger